Lob unter diesen Umständen

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In Italien singen Bürger während der Ausgangssperre auf ihren Balkonen und andere machen mit. Es gibt ein gegenteiliges Spaß-Video aus Deutschland: Da steht einer auf dem Balkon und singt lauthals „99 Luftballons …“ – daraufhin rufen mehrere Nachbarn direkt zurück … Ruhe! – Das gibt ne‘ Anzeige! – Es ist Mittagspause!

In der Apostelgeschichte singen auch zwei Menschen laut und viele andere haben zugehört: ob sie darauf italienisch oder deutsch geantwortet haben, wissen wir nicht: „Gegen Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott mit Liedern. Die übrigen Gefangenen hörten ihnen zu.“ (Apg 16,25)
Den beiden, Paulus und Silas, ging es in dieser Situation sehr bescheiden. Sie saßen im Gefängnis. Zuvor wurden sie sogar öffentlich geschlagen. Weil sie den Auftrag Jesu befolgt haben. Und jetzt das: Wie kommt es dazu, dass sie unter diesen Umständen zu Gott beten und ihn loben?

Ihr Gebet war mehr als reine Routine. Es war ein ehrliches Rufen ihres Herzens zu Gott. Sie beten, weil sie wissen, dass Gott sie in ihrer dunkelsten Stunde nicht vergessen hat. Dass er da ist. Auch wenn sie seine Gegenwart vielleicht gar nicht gespürt haben und zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, wie die Geschichte weitergeht … Aber sie beten, weil sie wissen, dass Gott unabhängig von ihren Umständen groß ist. Dass Gott unabhängig von ihren Umständen gut ist. Dass Gott unabhängig von ihren Umständen treu ist.

Lob unter diesen Umständen? Ja. Lob unter diesen Umständen! Denn ihr Lob ist an Jemanden gerichtet, der unabhängig dieser Umstände zu loben ist – der größer als jeder Umstand ist: Gott. Paulus und Silas erheben im Lobpreis und Gebet ihre Augen und blicken auf einen Gott, der vollkommen gut ist. Das heißt: Sie schauen nicht auf ihren Umstand, sondern auf Gott. Faszinierend. Die beiden loben Gott nicht primär für das, was er tut, sondern für das, was er in sich selber ist.

Das heißt aber nicht, dass Paulus und Silas im Gebet nicht ehrlich vor Gott waren und über ihren Umstand sprechen konnten. Die beiden haben vermutlich auch Zeit gebraucht und sich die Frage gestellt, wie Gott das zulassen kann. So dürfen auch wir voll und ganz ehrlich vor Gott sein. Gebet ist ein ehrliches Rufen des Herzens zu Gott. Es besteht eine Gefahr darin, wenn wir uns Lob aufzwingen. Klage gehört zum Gebetsleben dazu. Wenn unsere Seele weint, dann leidet Gott mit. Wir dürfen unser Herz – mit allem Schmerz und aller Sorge – vor Gott ausschütten. Wie so ein Bagger, der die Schaufel mit dem ganzen Bauschutt runterlässt und alles ausschüttet. (1. Petrus 5,7)

Simeon Tank

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